31. Mai 2020 – Überblick: Kunst und Bau
So. 31.05. | 12.00 (bleibt digital verfügbar)
Kunst umgehen: Überblick
Überblicksführung
Kunst und Bau
Auch in diesem Jahr folgt das Format Kunst umgehen: Überblick jeweils einem Schwerpunktthema. Fokus dieser Führung ist die Korrespondenz zwischen Kunst und Gebäuden, für die sie entstanden ist. Das Konzept der sogenannten „Kunst am Bau“ ist etwa 100 Jahre alt: In der Weimarer Republik schlugen Künstler*innen-Verbände vor, einen Teil der Bausumme öffentlicher Gebäude für Kunst zu verwenden. Im Lauf der Jahrzehnte entwickelte sich diese Kunst vom Ornament hin zu mehr Eigenständigkeit.


Christiane Oppermann]
Liebe Hörer*innen und Leser*innen,
dieser chronologische, digitale Rundgang zur Kunst am Bau hält Folgendes für Sie bereit:
- die Voranstellung einiger Hintergründe
- längere Hör-Aufenthalte und kürzere Stippvisiten
- kleine Abzweige zu Kontextfeldern
- räumliche Sprünge, die zu Fuß im Rahmen einer Führung nicht zu leisten wären
- die Berücksichtigung auch nicht zielführender Gedankengänge
- die Beteiligung eines Früh-am-Morgen-Vogels und eines Klingeltons
- das Zulassen von Unvollständigkeit, also das Auslassen von ggf. relevanten Werken
- die Nicht-Berücksichtigung von Graffitti-Kunst
- die Verwendung eigener und lizenfreier Abbildungen
- den freundlichen Hinweis an die geneigten Flaneur*innen, sich der vorgegeben Reihenfolge zu widersetzen
Mit besten Grüßen,
viel Spaß,
Christiane Oppermann

(Foto: Steinmetzbetrieb Heinrich Zerries, Braunschweig – Creative-Commons-Lizenz)]
1.1. Erste Schritte:
Kunst am Bau_West
Mit einem Kranich, der das Potential eines Phönix in sich trägt, wurde nach Gründung der Bundesrepublik das erste Kunst-am-Bau-Projekt realisiert. Die Wandarbeit Aufsteigender Phoenix symbolisiert im Nachkriegsdeutschland den Aufbruch in eine bessere Zeit. Das Relief aus Kalkstein schuf der Künstler Hannes Schulz-Tattenpach – genannt Odo Tattenpach – (1905 – 1953) im Rahmen des ersten Kunst-am-Bau-Wettbewerbs des Bundes für den damaligen Neubau eines der Bundestagsgebäude in Bonn. Das Gebäude ist heute Teil des UN-Campus.
1.2. Aufsteigender Phönix
von Odo Tattenpach

(Foto: Steinmetzbetrieb Heinrich Zerries, Braunschweig – Creative-Commons-Lizenz)]
1.3. Zwischenstop:
Museum der 1000 Orte
Falls Sie tiefere Einblicke in die Kunst-am-Bau-Projekte des Bundes seit 1950 gewinnen möchten, empfehle ich Ihnen den Besuch des Museum der 1000 Orte. Ein kleiner Teil der Arbeiten ist in einem Onlinemuseum einsehbar. Viel Spaß beim stöbern!
1.4. Abstecher:
Kunst am Bau_Ost

(Foto: Gottfried Hoffmann – Creative-Commons-Lizenz)]
Wer sich für den aktuellen Kunst-am-Bau-Diskurs Ost interessiert und für einen kleinen Umweg zu haben ist, bekommt in diesem Radiobeitrag des Deutschlandfunk Kultur spannende Einblicke in die Debatte sowie in ein kürzlich in Berlin stattgefundenes Symposium: Es gibt eine ganz neue Wahrnehmung der DDR-Architektur – Arnold Bartetzky im Gespräch mit Vladimir Balzer
Für die visuell Interessierten könnte der Abzweig auch hier entlang gehen: Der Architekt Martin Maleschke ist der Kunst am Bau in der DDR auf der Spur und möchte alle noch existierenden Kunst-am-Bau-Werke fotografisch festhalten. Einen Großteil hat er bereits dokumentiert. Entstanden und im weiteren Entstehen ist ein Bilderfundus, der es, dank des ‚guten Auges‘ des Fotografen-Architekten, wirklich in sich hat. Ein Teil seines Bildarchivs ist online einzusehen und in einem kürzlich erschienenen Buch veröffentlicht (DDR. Baubezogene Kunst – Kunst im öffentlichen Raum 1950 bis 1990), das interessierten Ost-Reisenden das Auffinden der spannenden Orte sicher erleichtern wird – so die Architektur und die Kunst noch da sein werden, denn nach der Wiedervereinigung ist Vieles davon unter die Abrissbirne gekommen oder kommt auch noch unter den Schlaghammer…
2. Zurück nach vorn:
Kunst am Bau_Hannover
2.1. Im Zickzackkurs der Nachkriegsjahre zu Hermann Scheuernstuhl

Hermann Scheuernstuhl (1894 – 1982) zählte im Nationalsozialismus zu den Künstlern, die von der Diktatur profitierten. Bekannt ist der Künstler heute vor allem noch durch seine Bronzeplastiken Fackelträger und Fischreiter am Maschsee. Kaum jemand weiß, dass sich in Hannover auch einige Bronzereliefs des Künstlers aus den 1950er Jahren befinden.

(Fotos: Bernd Schwabe in Hannover – Creative-Commons-Lizenz)]

(Fotos: Gerd Fahrenhorst – Creative-Commons-Lizenz)]
2.2. Wohin das Auge auch schaut: Kurt Lehmann!

(Fotos: Axel Hindemith – Public Domain)]
Ein Künstler, der stadtbildprägenden Einfluss nahm, war Kurt Lehmann (1905 – 2000). Insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren schuf er viele Arbeiten für den öffentlichen Raum in Hannover, so z.B. Demut in der Aegidienkirche und Spielende Kinder in der Grupenstraße. Von den über 20 Arbeiten des Künstlers, die sich noch im öffentlichen Raum Hannovers befinden, zählen auch einige zur Kunst am Bau.

Kurt Lehmann: Bronzefiguren analog zu den Türgriffen an der Oper

(Fotos: ChristianSchd – Creative-Commons-Lizenz)]
2.3. Stippvisite: Glasmosaik von Eduard Bargheer

Ebenfalls am Stadion befindet sich das große Glasmosaik des Künstlers Eduard Bargheer (1901 – 1979). Der Kunstmäzen Bernhard Sprengel hatte den Künstler für den Standort vorgeschlagen. Auftrag war, ein Wandmosaik zu schaffen, das „sportlicher Betätigung im olympischen Geist“ gewidmet sein sollte. Vorbild für Bargheers Entwurf waren griechische Reliefs und etruskische Fresken. Zur Fußball-WM 2006 wurde die Turnhalle abgerissen und das Kunstwerk in der Nähe des Südeingangs der neu geschaffenen AWD-Arena (heute HDI-Arena) wieder angebracht. Das Mosaik (7 x 28 Meter) gilt noch heute als eines der größten in Europa.
2.4. Stippvisite: Senden und Empfangen von Herbert Volwahsen

(Fotos: ChristianSchd – Creative-Commons-Lizenz)]

(Fotos: ChristianSchd – Creative-Commons-Lizenz)]
Die Sandstein-Brunnenskulptur Senden und Empfangen schuf der Künstler Herbert Volwahsen (1906-1988) im Kontext des Neubaus des Fernsprechamtes Hannover im Jahr 1957. Mit der Umnutzung des Gebäudes zum Hotel verändert sich auch die Lesart der Arbeit.

2.5. Abseits ausgetretener Pfade oder: ganz schön informell formal – die 1960er

Werner Schreib (1925-1969) war ein Kind seiner Zeit, Fan von Kurt Schwitters und dem Dadaismus, Maler, Plastiker, Literat und einer der Väter der Aktions- und Performancekunst im Deutschland der 1950er/1960er Jahre. Das ehemalige Hotel Intercontinental (später Maritim Grand Hotel) wurde von 1963 – 1965 nach Plänen der Architekten Apel, Beckert & Ing. Becker im Stil des Brutalismus (von frz. breton brût = Sichtbeton) gebaut. Schreibs Arbeit scheint sich chamäleonartig in die Architektur einzupassen, …

2.6. Achtung, Umleitung zum Brutalismus!
Wer sich näher über diesen aktuell viel diskutierten Architekturstil, welchem in den letzten Jahren mehrere spannende Ausstellungen und Tagungen gewidmet wurden, informieren möchte, kann jetzt zwei kleine Umleitungen nehmen:
ARD-Beitrag Titel, Thesen, Temperamente zum Thema Brutalismus, 2019 (5:16)
SOS rettet den Brutalismus. Beitrag des Architekturzentrums Wien zur gleichnamigen Ausstellung.

2.7. „Fetischhandlung und Semantische Malerei“
Um das richtige „Feeling“ für die Zeit der 1960er zu ermöglichen und einen Eindruck vom Künstler zu gewinnen, haben Sie hier die Möglichkeit, sich einige Filmdokumente zu Werner Schreib (1925 – 1969) anzuschauen. Sollten Sie beim Öffenen der Dateien kein Videobild bekommen, können Sie die Filme herunterladen. Dies gelingt über die geöffnete „Tonabspiel-Seite“: mit Rechtsklick auf die Tonleiste, dann öffnet sich das Menü mit der Wahlmöglichkeit „Video speichern“.
Filmdokumente zu Werner Schreib
2.8. Straßenkunst von
Günther Kämpfe

Günther Kämpfes (1914 – 1992) Arbeit (o.T.) wurde im Rahmen des Straßenkunstprogramms 1971 realisiert. Was kann die Emaille-Arbeit heute noch aussagen, wo dockt sie im Umfeld an, wie wirkt sie überhaupt (noch)? Soll das Werk als Zeitzeuge im Stadtraum bleiben oder ist es Zeit für einen Umzug ins Museum?

2.9. Klammer auf_Erich Hauser_Klammer zu

Das Stahlrelief von Erich Hauser, das am KUBUS „klammert“ gilt als sehr gelungenes Beispiel für die Kunst am Bau der 1960er Jahre und ist auch heute noch ein echter Hingucker sowie weit sichtbares Aushängeschild für den Kunstort, den der Archtekt Alfred Müller-Hoppe 1965 ersann.


(Foto: ChristianSchd – Creative-Commons-Lizenz)]

(Foto: ChristianSchd – Creative-Commons-Lizenz)]

2.10. Kunst-am-Bau-vorm-Bau-im-öffentlichen-Raum-Gedanken
2.11. Sturmtief „Alice“ im Aufwind: Another Twister

Frischen Wind für das Sprengel Museum Hannover brachten 2015 der neue Direktor Rainer Spieler und sein Wunsch nach Veränderung der Eingangssituation. Er entschied sich für Another Twister als Wahrzeichen, die Hannover Rück Stiftung gab die Mittel zum Ankauf. Das stählerne und doch höchst dynamische Werk der amerikanischen Künstlerin Alice Aycock (geb. 1946), die mit ähnlichen und anderen Arbeiten rund um die Welt für Furore sorgt, hat dabei die Arbeit Stahl 5/81 von Erich Hauser verdrängt. (Der unchronologische Einschub ist dem Ort des Geschehens geschuldet.)
2.12. Stippvisite:
Hans Uhlmanns Stahlplastik am Parkhaus


Im Kontext von Planung und Ausführung des Parkhauses in der Schmiedestraße, das nach Plänen des Architekten Walter Hämer gebaut und 1965 fertiggestellt wurde, war Hans Uhlmann beratend tätig. Die besondere Vorhangfassade schuf Hämer gemeinsam mit Uhlmann aus grauen und weißen, eloxierten Lamellen aus Aluminium. Das Parkhaus steht mittlerweile unter Denkmalschutz.

(Foto: ChristianSchd – Creative-Commons-Lizenz)]
2.13. Stippvisite beim Großen Rufzeichen von Fritz Koenig

Die VGH Versicherungen kauften 1973 die Bronzeplastik Großes Rufzeichen von Fritz Koenig (1924 bis 2017) und ließen sie neben ihrem Büroneubau am Schiffgraben aufstellen. Das auffallende Werk ist an seinem Standort jedoch kaum als Kunst am Bau erkennbar. Die Grenzlinie zwischen Kunst im öffentlichen Raum und Kunst am Bau ist häufig gestrichelt – – – – – – – – – – -.

Traurige Berühmtheit erlangte die von Fritz Koenig gefertigte Brunnenplastik The Sphere (1967–1971), die ehemals im Zentrum des World Trade Center stand. Die am 11. September erstaunlicherweise kaum beschädigte Bronze befindet sich heute als Denkmal im New Yorker Battery Park.

2.14. Stippvisite:
„Dicke Hannoveranerin“ von Friedrich Werthmann

Die „Dicke Hannoveranerin“, eigentlich Kugelplastik, von 1973 (600 x 400 x 400 cm) macht ihrem Namen alle Ehre. Sie befindet sich im Eigentum der Deutschen Post AG und steht am ehemaligen Fernmeldeamt – bis 2021 noch Postbank – in der Celler Straße.

2.15. Stippvisite:
„Das Schild“ von Hannes Meinhard

(Foto: Axel Hindemith, Public Domain)]
Eine seit den Anfängen gängige Kunst-am-Bau-Praxis besteht in der Gestaltung von zum Stadtraum hingewandten, häufig auch fensterlosen Fassaden. Die Installation Das Schild von Hannes Meinhard (1937-2016), die 1989 am ehemaligen Gebäude des Landeskrimalamts Niedersachsen (erbaut 1954) installiert wurde, ist eine solche Arbeit. Meinhard, der an der Städelschule in Frankfurt Malerei und Bildhauerei studierte, geht minimalistisch vor. Seine Arbeit besteht im Wesentlichen aus drei monumentalen Corten-Stahlplatten, die er hochkant und leicht versetzt vor die Fassade bringt. Die Radikalität der Arbeit wird durch den Pflanzenbewuchs jedoch gebrochen. Über die Bezüge zum Standort hinaus wirft das Thema ‚Schild‘ Fragen auf: Wer wird heutzutage eigentlich von wem wovor geschützt und wo? Eine Frage, die von Menschen aus verschiedenen Milieus, Gesellschaften und Ländern sehr unterschiedlich beantwortet werden würde und einen ganzen Rattenschwanz an weiteren Fragen nach sich zieht.

(Foto: Axel Hindemith, Public Domain)]
2.16. Bitte Einfädeln zur ästhetischen Wachküssung!

Der Künstler Raimund Kummer (geb. 1952) hat die Skulptur Prosopagnostisches Netz als Auftragsarbeit speziell für die Raumsituation im Innenhof des Neubaus der VGH-Versicherungen entwickelt. Um das Urmodell zu erstellen, ist er nach Italien gefahren, um dieses aus Murano-Glas zu fertigen. Über verschiedene technische 3-D-Verfahren und Handarbeit entstand aus dem 40 cm großem Modell das stattliche Original (6,32 m x 4,20 m x 4,63 m). Die Arbeit wurde 2011 installiert.





Die Installation Kopf-Stein-Pflaster von Timm Ulrichs wurde 1980 geschaffen und befindet sich seit 1994 nahe beim Gebäude des Sparkassenverbandes Niedersachsen, neben einer Tiefgarage. Es ist die erste dauerhafte Installation des Künstlers im öffentlichen Raum Hannovers. Sie zählt nicht im eigentlichen Sinn zur Kunst am Bau, was man aufgrund der Nähe zum Gebäude denken könnte. Vorgesehen war die Arbeit eigentlich für den Vorplatz der Marktkirche. Wortspiele als Ausgangspunkt für Arbeiten sind durchaus typisch für Ulrichs‘ konzeptuellen Ansatz und kritischen Blick auf die Sprache. Sein Kopf-Stein-Pflaster bewegt sich zwischen einem inhaltlich abstrakten Mahnmal und einem ironischen Beitrag zur Stadtgestaltung.

2.17. Summer: Allen Jones

Die aus Cortenstahl gefertigte, lackierte Plastik Summer des britischen Pop-Art-Künstlers Allen Jones (geb. 1937) befindet sich im Eigentum der NORD/LB. Die Arbeit wurde 2002 zur Eröffnung des Neubaus am Friedrichswall im Eingangsbereich aufgestellt. Seit einigen Jahren befindet sich die Arbeit hinter dem ehemaligen NORD/LB Gebäude, Georgsplatz/Ecke Prinzenstraße in Hannover.

2.18. In Vent: Robert Schad

Die frühere Kreissparkasse am Aegidientorplatz beauftragte den Künstler Robert Schad (geb. 1953), ein Kunstwerk für den öffentlich erreichbaren Innenraum ihres Hauptsitzes zu gestalten. Seine raumgreifende Stahlplastik „In Vent“ wurde 1996 installiert.




2.19. Kunst am Bau in der NORD/LB




Die kanadische Multimedia-Künstlerin Angela Bulloch (geb. 1966) ist bekannt für ihre konzeptuell strengen Arbeiten, die sich mit Systemen und Strukturen beschäftigen und die mit den Erwartungen des Publikums spielen. Ihre Skulpturen umfassen oft Licht, Klang oder Text und behandeln Themen wie Urheberschaft und Zeitaspekte. Seit 2018 ist sie Professorin an der HFBK Hamburg im Studienschwerpunkt Zeitbezogene Medien.

2.20. Das Große Leuchten:
Sephan Huber

(Foto: ChristianSchd – Creative-Commons-Lizenz)]

(Foto: ChristianSchd – Creative-Commons-Lizenz)]