29. August 2021 – Sculpture Transfer: „Die Große Familie“ von Eugène Dodeigne
So. 29.08. | ab 12.00 (bleibt digital verfügbar)
Kunst umgehen: Sculpture Transfer
Die Große Familie von Eugène Dodeigne (hinter dem Museum August Kestner)
Auch in diesem Jahr zeigt Sculpture Transfer performative Eingriffe in Resonanz zu Objekten aus dem Experiment Straßenkunst, dem ersten umfangreichen Programm für Kunst im öffentlichen Raum einer deutschen Stadt. Das Figurenensemble Die Große Familie des Belgischen Künstlers Eugène Dodeigne wurde zunächst im Jahr 1971 auf dem Trammplatz aufgestellt und 1997 an seinen aktuellen Standort umgesetzt. Der Titel der Arbeit suggeriert Verwandtschaften und lässt an Personen und Persönlichkeiten denken – mit all ihren Beziehungen und Geschichten.

[Ein Beitrag von Anna Grunemann und Christiane Oppermann]
Auch wenn Sie des Französischen nicht mächtig sind, sollten Sie sich das Video anschauen und in das Œuvre des Künstlers eintauchen. Falls Sie am Katalog der im Mai 2021 beendeten Ausstellung interessiert sind, wenden Sie sich an bonjour@laboutiquedulieu.fr.
Eugène Dodeigne (1923-2015) hat einen wesentlichen, einzigartigen und weltweit anerkannten Beitrag zur zeitgenössischen Kunst, insbesondere zur französischen Bildhauerei geleistet.
In Belgien geboren, wird Dodeigne durch Umzug der Familie in den Norden Frankreichs schnell eingebürgerter Franzose. Dodeigne entstammt zudem einer Steinmetzfamilie aus der Region Soignies, woher der ebenso schöne wie schwer zu bearbeitende blau-schwarze Kalkstein stammt, der fälschlicherweise als Granit bezeichnet wird.
Bereits in seiner Lehrzeit bei seinem Vater, zeigt sich seine Begabung. Dodeigne studiert danach an der École des Beaux-Arts in Tourcoing, später in Paris. Wie Henry Moore oder Giacometti entwickelt er eine Leidenschaft für afrikanische Skulpturen, was man seinen frühen, eher unbekannten Arbeiten durchaus ansehen kann.
Recht früh findet Dodeigne Unterstützung duch regionale Sammler und Galeristen. In dieser Zeit arbeitet er, von Brancusi und Arp inspiriert, vor allem mit Holz, das er in glatte und abgerundete Formen bringt, die noch nichts von der Rauheit seiner späteren Steinarbeiten ahnen lassen.
Über die ebenfalls sehr bekannte französische Bildhauerin und Grafikerin Germaine Richier wird Dodeigne in die Pariser Kunstwelt eingeführt. Bis 1965 nimmt er regelmäßig am Salon de Mai im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris teil. Darüber hinaus organisieren die Galerien Claude Bernard, Pierre Loeb und Jeanne Bucher für ihn wichtige Ausstellungen, in denen seine ab 1956 entstehenden Steinarbeiten und seine expressionistischen Bronzen, die er ab 1963 fertigt, zu sehen sind.
Auch im Ausland ist Dodeigne schnell sehr gefragt. Seine häufig monumentalen Steinskulpturen befinden sich in Belgien, den Niederlanden und Deutschland sowie verteilt auf der ganzen Welt auf öffentlichen Plätzen und musealen Parkgeländen. Dargestellt werden vor allem Menschen, die oft wie aus dem Material herausgerissen scheinen. So auch Die Große Familie am Museum August Kestner.
Die 2021 in Roubaix realisierte Retrospektive betrachtete das Werk Dodeignes sehr facettenreich und in seiner ganzen Fülle. Es zeigt sich ein aktualisiertes Porträt des Künstlers, dessen Werk viel weniger „monolithisch“ ist als bisher angenommen.
Natürlich ist es vor allem die Arbeit am so genannten „Belgisch-Granit“, die seinen Ruhm hervorbrachte und sicherte. Und tatsächlich sind seine großen Zeichnungen und Kohlen, vor aber seine Gemälde nur wenigen bekannt. Ebenso erstaunlich sind seine Holzschnitzereien und seine Bronzen, die bisher kaum Beachtung finden. Gerade die Bronzen sind sehr interessant, da sich hier eine andere, fließende Formensprache manifestiert.
In welcher Technik Dodeigne auch arbeitet, in all seinen Arbeiten versucht er, die menschliche Figur und ihre (innere wie äußere) Bewegung einzufangen. Es überrascht also nicht, dass er viele Stunden damit verbrachte, die Tänzer des Ballet du Nord zu beobachten.
Die Retrospektive in Roubaix 2021 ehrte den Künstler, der übrigens auch seine beiden Häuser selbst baute, indem sie alle Facetten seines Werks berücksichtigte und die diversen Stränge miteinander verband. So wurden neben den Steinarbeiten, die seine unverwechselbare Handschrift tragen, Gipse, Hölzer, Bronzen, Terrakotta, Zeichnungen, Gemälde und sogar seine Möbelstücke präsentiert.
Sculpture Transfer am 15. August 2021 von AG&CO
Untersuchungen von Material, Form und Wesen der Figurengruppe Die Große Familie von Eugène Dodeigne



Schnurpins werden im Garten- und Landschaftsbau zum Abschnüren von Bauvorhaben und Einschnüren von Höhen gesetzt. Hier werden die Schnüre als Behausungsgrenzen – verbindend und trennend in das Ensemble der Großen Familie von Eugène Dodeigne eingebracht. Der Sound beim Einschlagen der Schnurpinne erinnert an die bildhauerische Bearbeitung von Stein. Auch hier treibt der Hammer das Schlageisen vorwärts und behaut so das Material.
















Belgisch Granit
Ein Textkondensat aus Wikipedia
„Belgisch Granit, auch Belgisch Schwarz und im französischsprachigen Raum Petit Granit genannt, ist der Handelsname eines grau-blauen bis anthrazitfarbenen Kalksteins aus Belgien. Der Name ist traditionell bedingt, aber irreführend, weil es sich nicht um einen Granit handelt.
Zu seinem gesteinskundlich falschen Namen gibt es folgende Erklärung:
- Die Gesteinsbezeichnung kommt daher, dass in diesen Kalkstein zahlreiche fossile Bruchstücke von Seelilien eingeschlossen sind, die eingelagerten Feldspäten in Graniten zum Verwechseln ähnlich sehen. Konkret geht die Namensgebung auf die alte Abbausstelle im Bocq-Tal (östlich von Yvoir) zurück, von der man das Gestein unter dem Namen Petit granit du Bocq vertrieb. […]
Seit dem 15. Jahrhundert ist dieses Gestein in Anwendungen nachgewiesen. Beispiele dafür finden sich in Brügge und Damme. Zu dieser Zeit bezeichnete man es als Hart steen, Escosijnse steen oder goeden sausinen steenen. […]
Gesteinsbeschreibung
In den schwarzen, kohlenstoffhaltigen, bituminösen Kalkstein sind zahlreiche Stängelglieder der fossilen Seelilienart Encrinus liliformis eingelagert. Neben den versteinerten Seelilien, den Trochiten, enthält Belgisch Granit fossile Brachiopoden und gelegentlich Korallen.
Der Stein kann auf alle gebräuchlichen Arten bearbeitet und poliert werden. Er ist einer der wenigen Weichgesteine, die sich beflammen lassen. Beim Polieren wird der ansonsten blaugraue Stein dunkel. Wird dieser Naturstein im Außenbereich verbaut, verliert er nicht nur in relativ kurzer Zeit von zwei bis drei Jahren seine Politur, sondern wird deutlich heller bzw. grau.
Vorkommen und Entstehung
Belgisch Granit wird im belgischen Hennegau im Gebiet um Soignies und Tournai im Tal der Ourthe gewonnen.
Dieses Gestein entstand im frühen Unterkarbon, als in einem Meeresbecken große Massen organischen Materials abgelagert wurden. Das kohlenstoffhaltige, organische Material erlitt aufgrund des geringen Sauerstoffgehalts des Lagunenwassers keine völlige Zersetzung und die kalkhaltigen Pflanzen und Tiere sanken auf den Meeresgrund. Durch Druck entstand aus den abgelagerten Massen ein schwarzgrauer Kalkstein. Des Weiteren lagerte sich Ton ab und es bildete sich Faulschlamm, Bitumen. Beim handwerklichen Bearbeiten wird der Faulschlamm freigesetzt und er erzeugt einen intensiven Geruch. Dieser Geruch ist nach der Bearbeitung nicht mehr wahrnehmbar. […]
Der Belgisch Granit eignet sich für Fassadenbekleidungen, Boden- und Treppenbeläge und Mauersteine und wird häufig von Bildhauern verwendet. […]
Seine Verwitterungsbeständigkeit ist so groß, dass er in bedeutendem Umfang abgebaut wurde. Viele Fassaden der innerstädtischen Architektur von Brüssel und anderen belgischen Städten sind durch diesen Naturwerkstein geprägt.“
Weitere Arbeiten
Von Eugène Dodeigne gibt es in Hannover noch zwei weitere Arbeiten:


Und falls Ihr Hunger nach den Werken Dodeignes noch nicht gestillt sein sollte, finden Sie bei Artnet viel Gemischtes – unter anderem seine Zeichnungen.
Viel Vergnügen wünschen AG&CO.

[Alle Fotos, wenn nicht anders benannt, von Carlotta Oppermann.]